Stadtpolitik: Noch hat es «Luft nach oben»

    Erkenntnisse aus dem aktuellen Städtemonitoring von «Avenir Suisse»

    Das Schweizer Think Tank «Avenir Suisse» setzt sich für freisinnige Anliegen ein und hat einen ausgezeichneten Ruf. Auch aufgrund der minutiös und aufwändig erstellten Studien. In einer ausführlichen Bilanz wurde der Zustand der zehn grössten Schweizer Städte aus «liberaler Sicht» bewertet. Dass Basel-Stadt zusammen mit Zürich an der Spitze liegt, hat einige Gründe. Das wichtigste Fazit ist jedoch: Die Schweizer Städte müssen sich gegenseitig inspirieren.

    (Bilder: Bilddatenbank Basel-Stadt) Bei mehreren Indikatoren im Städtemonitoring ist Basel-Stadt in den Spitzenpositionen, aber bei einigen wenigen gehört man auch zu den Schlusslichtern

    In der neuesten Publikation «20 Jahre Stadtpolitik – eine Bilanz aus liberaler Perspektive» von Avenir Suisse wurden die zehn grössten Städte bezüglich der Qualität ihrer Politik von einem Forscherteam unter Leitung von Fabian Schnell durchleuchtet. Das Städtemonitoring unterscheidet sich von klassischen Rankings dadurch, dass es nur jene Kriterien berücksichtigt, die tatsächlich weitgehend durch die Stadtpolitik beeinflusst werden können, während es Faktoren wie etwa die geografische Lage bewusst ausblendet. Anhand von 47 Indikatoren und acht Themengebieten wurden Basel, Bern, Biel, Genf, Lausanne, Lugano, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich am Leitbild einer «Liberalen Smart City» gemessen.

    Noch reichlich Luft nach oben
    Wichtige Indikatoren für das Städtemonitoring sind zum Beispiel die Haushaltsführung, die Verwaltung, die Wirtschaftsfreundlichkeit oder die Sozial- und Integrationspolitik. Im Gesamtranking erreicht die bestrangierte Stadt knapp zwei Drittel der Maximalpunktzahl. Es gebe also noch erheblich liberales Potenzial, ist das Fazit der Forscherinnen und Forscher. In den Teilrankings sieht man ausserdem noch grosse Qualitätsunterschiede. Ein Beispiel: Auch wenn Basel mit seiner Wohnpolitik, der Wirtschaftsfreundlichkeit, der Bonität, bei der Steuerkraft, beim strengen Verkehrsregime und der Velofreundlichkeit, bei der Angebotsdichte der Kleinkinderbetreuung und bei der Weiterbildung hervorragend, beziehungsweise ziemlich gut abschneidet, so steht Basel-Stadt beispielsweise bei der Effizienz der Verwaltung relativ weit hinten im Ranking von Avenir Suisse. Hier sei das Fazit des Forscherteams auch eindeutig: Die Schweizer Städte können, ja müssen gegenseitig viel voneinander lernen.

    Mehr Bereitschaft zur «Stadt als Versuchslabor» gefordert
    Eine andere Analyse von Avenir Suisse zeigt, dass die Bereitschaft zur «Stadt als Versuchslabor» unter anderem auf die politischen Verhältnisse zurück zu führen sei. Das Vertrauen in die Marktkräfte, etwa in der Wohnungspolitik, sei ungenügend ausgestaltet, und Stadtpolitik erfolge vielfach mit Detailvorgaben an die Adresse der Verwaltung statt über strategische Grundsätze. Und es gibt noch einen weiteren politisch-strukturellen Stolperstein: In einigen Städten ist der Anteil der stimmberechtigten Wohnbevölkerung mittlerweile sehr klein: In Zürich sind es noch 27%, in Genf gar 20%. Da sieht es in Basel-Stadt bei knapp unter 55 Prozent noch recht gut aus (um die Jahrhundertwende waren es jedoch noch stolze 63 Prozent).

    ÖV und Verkehr: Gute Bewertungen von Avenir Suisse im Städtemonitoring

    Die «traditionelle Linkslastigkeit» als Hemmschuh?
    Thematisiert wird in den städtepolitischen Studien natürlich auch die «traditionelle» Linkslastigkeit der Städte: Konservative stünden dem Wandel oft grundsätzlich kritischer gegenüber als ihre politische Konkurrenz. Erfolgreich sei – so sagte beispielsweise der langjährige erste Bürgermeister Hamburgs, Ole von Beust, an der Herbsttagung von Avenir Suisse im Bundeshaus, dass bürgerliche Politik dann erfolgreich sei, wenn es ihre gelinge, den althergebrachten Werten in der Moderne neues Leben einzuhauchen und auch jungen Wählern eine Identifikationsplattform zu bieten. Bürgerliche Politik sollte nicht nur die klassische Familie adressieren, sondern alle Menschen, die bereit sind, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen – in welcher Familienkonstellation sie auch leben. In den Städten gebe es viele konservativ denkende Wähler. Sie unterscheiden sich aber oft wesentlich von den Wählern auf dem Land und müssen deshalb gezielt angesprochen werden. Eine Auffälligkeit in diesem Zusammenhang dabei ist: Die vier nicht-deutschsprachigen Städte belegen die hinteren Ränge, was auch unterschiedliche politische Präferenzen spiegelt. Die Stadtpolitik verharre heute zu sehr in ideologischen Grabenkämpfen, bilanziert Avenir Suisse. Dabei haben die Schweizer Städte eine wichtige Rolle im Staatsgefüge als Versuchslabor für unkonventionelle Lösungen bestehender Probleme. Dieser würden sie allerdings nur noch begrenzt gerecht, denn oft verzettelt man sich in Detailfragen, heisst es von den Fachleuten.

    Vorbehalte gegenüber Marktmechanismen und moderner Governance
    Als weiteres Fazit zur aktuellen Stadtpolitik in den grössten Schweizer Städten schreibt Avenir Suisse: «Grundsätzlich darf festgehalten werden, dass die Städte in vielen Bereichen gut aufgestellt sind. Im Gegensatz zu vielen Metropolen weltweit agieren sie nicht nahe am Staatsbankrott, die Verwaltungen funktionieren zufriedenstellend, die Infrastruktur befindet sich auf hohem Niveau.» Trotzdem gebe es Verbesserungspotenzial bezüglich zu hohen Vorbehalten gegenüber Marktmechanismen und moderner Governance. Dazu gehöre auch eine grössere Unabhängigkeit städtischer Betriebe oder eine weitgehende Delegation von operativen Entscheiden an nachgelagerte Verwaltungseinheiten

    JoW, Quelle: Avenir Suisse


    Relevanz der Stadtpolitik

    Mit wenigen Zahlen lässt sich die Relevanz der Stadtpolitik illustrieren: Weltweit leben 50% der Menschen in den Städten, in der Schweiz sind es sogar 75%, und auf 10% unserer Landesfläche entstehen 60% des Bruttoinlandprodukts. Diese Zahlen bedeuten auch: Die Zentren sind entscheidend für die Prosperität der Schweiz.

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