Horrorszenario der verwaisten Innenstadt

    Basel Stadt plagt sich mit dem Problem der rückläufigen Frequentierung

    Auch wenn die Stadt Basel keine rückläufige Einwohnerzahl verzeichnet, so kämpft man aktuell mit einem anderen Problem: Nicht nur die Stadtbaslerinnen und -basler lassen sich seltener in der Innenstadt blicken. Immer häufiger sind es die «Ländler» und Leute aus der unmittelbaren Agglomeration, die das Stadtzentrum meiden. Können «City Manager/innen» diese Entwicklung aufhalten und sogar eine Trendwende herbei führen?

    (Bild: Bildarchiv Basel-Stadt) Der Marktplatz ist prädestiniert für Märkte, Attraktionen und innovative Eventumsetzungen. Mehr davon würde der Frequentierung der angrenzenden Freien Strasse ebenfalls gut tun.

    Es gibt sie, diese typischen «Sommerloch»- und Aufreger-Themen in den Medien. Der FCB ist seit zwei Jahren und dem «Machtwechsel» innerhalb der Clubführung ein Dauerthema. Auch die Hitze und wie man in den Städten damit umgehen soll (siehe auch unsere «Hitze in der Stadt»-Serie) ist ein typisches Sommerthema. 2018 war das Thema Gewalt und Aggression ein Aufreger in der Region. Bei manchen Inhalten macht man auch gerne aus einer «Tigermücke einen Elefanten» wie wir an dieser Stelle im Sommer 2018. Manche Geschichten und Inhalte entwickeln sich indessen ganz klar aufgrund des starken Interesses der Bevölkerung wie beispielsweise die Baustellensituation und alles, was die BVB tangiert.

    Heuer – im Sommer 2019 – waren auch wieder die BVB und die Baustellen ein allgegenwärtiges Gesprächsthema. In den Schatten gestellt wurde jedoch alles von der Diskussion um das Gewerbe- und Ladensterben in der Innenstadt, die während der Wochentage immer weniger frequentiert wird. Nun soll die Freie Strasse ein Facelifting durch eine neue Unterlage in Etappen verpasst bekommen, um einer drohenden Verwaisung der Flaniermeile entgegen zu wirken.

    (Bild: Bildarchiv Basel-Stadt) Nicht viel los am Barfi? Wie beim Marktplatz würden hier mehr Events und Attraktionen oder Märkte der Freien Strasse und Gerbergasse mehr Frequenz zuführen.

    Fehlt es am Einkaufserlebnis?
    Natürlich sorgt der Online-Handel und die Parkplatznot für weniger Frequenz in den Innenstädten. Die so genannte «Costumer Journey», wie es in der Marketingsprache heisst – also das Einkaufserlebnis – sei nicht mehr vorhanden. Für ältere Leute fehlen die Sitzgelegenheiten entlang der Einkaufsstrassen und in den Läden selbst. Diese und viele Gründe mehr, die auf Basel-Stadt zutreffen, sind ein Katalysator für weniger Frequenz in einer Innenstadt. Der Einkaufstourismus, die Digitalisierung und zu hohe Mietpreise tun ihr übriges. In unseren Umfragen haben wir aber auch festgestellt, dass nicht nur die Baselstädter/innen immer öfter der Innenstadt fern bleiben. Es sind vor allem auch die Menschen aus der Agglomeration, die sich rar machen. Die Vermehrung von Shoppingmöglichkeiten in der «Provinz» und Einkaufszentren in der Peripherie sind nur vordergründig die Ursache. Es geht in den meisten Aussagen eher mehr um den «Angebotsmix» und um die zuvor aufgeführten Gründe, die mit dem Einkaufserlebnis zusammen hängen.

    Flanier- und Einkaufsmeilen: Mit Authentizität punkten!
    Nun hat nicht nur Basel Stadt dieses Problem. Gewiss, ein Blick über die Grenze nach Lörrach zeigt, wie es auch gehen kann. Hier konzentriert sich das Einkaufserlebnis auf einen zentralen Platz und die umliegenden Strassenzeilen. Die Innenstadt hat ihre Authentizität bewahrt. Auch mit dem Angebotsmix. Und Sitzgelegenheiten hat es zur Genüge. Alle Angebote sind innerhalb weniger Gehminuten erreichbar.

    (Bild: Daniele Ciociola) Die Steinenvortadt: Abends und am Wochenende eine Flaniermeile und dank vieler Bars auch Treffpunkt für den Ausgang.

    Sind die «City Manager/innen» die Retter der Innenstädte?
    Nun sollen aber so genannte City Manager (nicht zu verwechseln mit den Digital Chief Officers oder «Smart City Manager») das Problem anpacken. Wie im Falle der Städte Luzern und St.Gallen zum Beispiel. Auch Rheinfelden hat diese Option ins Visier genommen. Der Verein Pro Altstadt gab Anfangs Jahr das Okay zu seinem Kostenanteil von 25’000 Franken pro Jahr. Weitere Träger der Gesamtkosten von 150’000 Franken pro Jahr sind die Stadt, Rheinfelden Medical und der Gewerbeverein. Der Entwicklungsprozess Rheinfelden Altstadt 2020 hat die Ziele und Handlungsfelder für die Weiterentwicklung der Altstadt definiert. «Eine Stadt ist nichts anderes als ein Shoppingcenter mit frischer Luft, ohne Wände und Dach», hiess es damals. Das neue Berufsbild City Manager ist also auch in der Schweiz angekommen.

    Laut dem Marktforschungsinstitut GfK sind in den letzten sieben Jahren in den grösseren Schweizer Städten zirka 6000 Detailhandel-Verkaufsstellen verschwunden. Mit der Folge, dass die Leerstände für Städte zum Problem geworden sind. Viele Branchenakteure haben sich deshalb zusammengetan im Rahmen des Projekts «Strukturwandel im Detailhandel» – mit dem Ziel, Massnahmen und Empfehlungen auszuarbeiten, damit Stadt- und Ortszentren auch in Zukunft viele Konsumenten anlocken.

    Das Fazit und die Vorschläge hören sich altbekannt an: Weiterbildung fördern, Digitalisierung nutzen, Lage analysieren.

    Eine neue Idee war aber eben der Einsatz des «City Managers». Eine klassische «Hub»- und Drehscheiben-Funktion also. Diese Person soll analog einem Direktor eines Shoppingcenters die Akteure vernetzen und sich dafür einsetzen, dass die Einkaufsgebiete attraktiv bleiben. Dazu gehören auch Gespräche mit Behörden oder die solidarische Finanzierung von Events. Die Attraktivitätssteigerung und Belebung der Innenstadt, die Kommunikation und Kooperation, das Fördern von Image und die Profilierung und das Sicherstellen der Zufriedenheit der innerstädtischen Kunden: Diese Aufgaben warten auf einen City Manager.

    Vorbilder für Basel-Stadt?
    Einige Städte mit einst ähnlicher Problematik wie aktuell Basel-Stadt hatten bisher schon Erfolge mit diesen City Managerinnen und Managern: Lübeck im hohen Norden Deutschlands zum Beispiel und Fort Lauderdale in Florida oder Kansas City in Missouri. Im fortschrittlichen Tel Aviv hat man gar nicht erst darauf gewartet, dass es zu einem Problem wird und antizipiert. Das Innenstadt-Management ist dort eine Erfolgsstory ohnegleichen.

    JoW

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