Halbleer oder doch halbvoll?

    Gibt es in der Region positive Auswirkungen auf die Covid-Pandemie?

    Die Corona-Pandemie ist eine Katastrophe in vielerlei Hinsicht mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen grossen Ausmasses. Wir haben uns aber gefragt, ob und welche «coronabedingte» Folgen oder Tendenzen dennoch Anlass geben, in der Gesamtbetrachtung das Glas eher halbvoll als halbleer zu sehen.

    (Bild: PEXELS) Ein Innovationsschub ohnegleichen und viele Erkenntnisse in Wissenschaft und Forschung – das sind einige Beispiele von positiven Auswirkungen der Corona-Pandemie.

    Es gibt einige Entwicklungsschübe, die durch die Pandemie so richtig in Schwung kamen: Die Digitalisierung beispielsweise hat in vielen Branchen endlich Fahrt aufgenommen. Auch in der Verwaltung und im Dienstleistungssektor generell. Zudem hat die digitale Anwenderkompetenz massiv gesteigert werden können bei Bevölkerungsschichten, die zuvor «nur» Basiskenntnisse (oder sogar kaum welche…) im Umgang mit digitalen Tools hatten. Es gibt noch einige weitere positive Entwicklungen. Zum Beispiel in der Arbeitswelt: Die New Work Philosophie mit den flacheren Hierarchien hat ihren Durchbruch erlebt und die sinnstiftenden Berufe sind beliebter als je zuvor. Viele Tätigkeiten, die einst ein Schattendasein fristeten wurden nun endlich und verdientermassen als «systemrelevant» und «heldenhaft» gefeiert. Auch die Branchen, die stark von der Wissenschaft und Forschung geprägt und abhängig sind, konnten enorme Efforts leisten.

    (Bild: PEXELS) Glas halbvoll statt halbleer? Man muss aus einer Katastrophe wie Covid-19 auch versuchen, das Beste daraus zu machen.

    Positives aus regionaler Sichtweise
    Was uns aber auch interessierte: Welche waren ganz konkret die positiven Auswirkungen von Covid-19 im Kanton Basel-Stadt? Brigitte Meyer, Generalsekretärin im Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-­Stadt weist nur zu gern auch mal auf die «positiven Nebenerscheinungen» der Pandemie hin. Denn diese gibt es durchaus: Die kantonale Verwaltung erlebte «dank» Covid-19 einen eigentlichen Digitalisierungsschub, so Brigitte Meyer. «Zum Beispiel sind anstelle von fest installierten PC’s jetzt Laptops im Einsatz. In einigen Departementen zu hundert Prozent flächendeckend. Mehr Tätigkeiten werden von zuhause und von unterwegs erledigt, also standortunabhängiger und flexibler. Der zeitliche Druck, Homeoffice schnell und für viele zu ermöglichen, machte technisch und organisatorisch einiges möglich: Pendente Projekte wurden vorgezogen. Zum Beispiel ist die Anmeldung auf dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum RAV heute elektronisch möglich.» Dank der einfacheren Möglichkeit, schnell und flexibel eine Video- oder Telefonkonferenz zu machen, würden bisher sakrosankte Sitzungen hinterfragt, und vielleicht auch abgeschafft. Die Agenden seien leerer geworden, die Reisezeiten hätten ab-, aber gleichzeitig die Effizienz zugenommen. Diese Entwicklung sei positiv, auch wenn persönliche Treffen meist nicht ersetzbar seien.

    Reduktion der Lärm- und Luftbelastung
    Brigitte Meyer hat auch noch anderes Positives zu berichten: Dank Homeoffice und Videokonferenzen reduzierte sich das Verkehrsaufkommen insgesamt, was zu einer Entlastung der Hauptverkehrszeiten und zu einer nachweislichen Reduktion der Lärm- und Luftbelastung führte. Auch die Anzahl der Verkehrsunfälle habe deutlich abgenommen. Die ausgewogene Mischung der Verkehrsmittel habe sich in der Covid-19-Pandemie bewährt. Der Rückgang beim öffentlichen Verkehr konnte zu einem wesentlichen Teil vom umweltfreundlichen Veloverkehr aufgefangen werden. Das verminderte Verkehrsaufkommen wirkte sich auch in einer besseren Luftqualität aus, insbesondere mit weniger Stickoxiden entlang der Strassen. «Bei anderen Schadstoffen wie dem Feinstaub hat die Belastung jedoch kaum abgenommen, da noch andere Emissionsquellen als der Strassenverkehr dafür verantwortlich sind», so Brigitte Meyer.

    Sport- und Freizeit­möglichkeiten in der Region – «reloaded»
    Die Generalsekretärin im Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt erkannte auch ein hohes Mass an Einsatzbereitschaft bei vielen Menschen – auch bei Lehrpersonen: Trotz vieler eingreifender Schritte im Bildungswesen bleibe ihr die grosse Einsatzbereitschaft der Lehrpersonen positiv in Erinnerung. Aber: Auch wenn der Fernunterricht funktioniert – den Präsenzunterricht mit der ganzen Atmosphäre im Klassenzimmer kann er nie und nimmer ersetzen.

    Viele Baslerinnen und Basler haben in der Zeit des Lockdowns und der beschränkten Reisemöglichkeiten die vielfältigen Sport- und Freizeitmöglichkeiten in der Region für sich entdeckt. Die Zahl der Personen, die Erholung im Wald, in der Landschaft suchten, auch auf und in den Gewässern, sei deutlich angestiegen und habe zu einer anderen Wahrnehmung der Schönheiten in der unmittelbaren Region geführt, stellt Brigitte Meyer fest. Auch wenn die Mehrbelastung zuweilen zu Missständen (Littering) und Überlastung (Kulturen, Wildtiere) geführt hätte, dürfte die «Wiederentdeckung des Naherholungsgebiets Basel und Umgebung» positive Effekte bezüglich Wichtigkeit und Wert der nutzbaren und zugänglichen Landschaft haben. Dass das Nahe sein Gutes habe, zeigte sich auch in der verstärkten Nachfrage nach Freizeitgärten.

    Und zu guter Letzt: Während der Covid-19-Pandemie wurden in rascher Zeit zahlreiche Massnahmen zum Gesundheitsschutz entwickelt und umgesetzt bezüglich Schutzmaterial, Hygiene, Unterbringung, Kontrollen, Testung, Contact Tracing und Impfung. Im Kanton konnten niederschwellige Testmöglichkeiten aufgebaut werden mit einem Testzentrum und Angeboten in Apotheken, Labors und Praxen. Brigitte Meyer: «Mit dem Verbundkonzept der Spitäler können die Kapazitäten der Isolierstationen sowie der Intensivpflegeplätze bedarfsgerecht bereitgestellt werden. Dank der guten Nachbarschaft übernahmen die drei Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Jura im März 2020 je zwei schwer an Covid-19 erkrankte Patienten aus dem Elsass in Intensivpflege.»

    JoW/DaC


    Die Top-4 der positiven Nebenerscheinungen

    Fortschritt in der Biotechnologie
    Die neuartigen RNA-Impfstoffe gegen das Coronavirus sind die ersten ihrer Art und wurden un-glaublich schnell entwickelt. Der bisherige Rekord für die Entwicklung von Impfstoffen lag bei vier Jahren, und das war in den 1960er-Jahren. Während der Corona-Pandemie haben Forscher gleich mehrere wirksame Impfstoffe in weniger als einem Jahr entwickelt. Durch den «Boom» in Sachen Biotechnologie und Forschung generell werden auch flankierende Mehrwerte geschaffen wie beispielsweise die Entwicklung von Impfstoffen für andere Krankheiten.

    Digitalisierungs-Booster
    Durch einer besseren digitalen Infrastruktur, neue (Software-)Tools und einer Steigerung der digitalen Anwenderkompetenz werden auch jenen Leuten neue Möglichkeiten geboten, die bisher als Digitale Dinosaurier galten. Sowohl im privaten wie auch im beruflichen Umfeld.

    Innovation, Erfindergeist, Anpassungsfähigkeit, Resilienz
    Vieles ist «inklusiver» geworden. Die Zusammenarbeit mit anderen Fachstellen hat sich branchen-übergreifend verbessert, weil man die Notwendigkeiten erkannte.

    Transparenz in vielen Lebensbereichen
    Die Datentransparenz ist ein Gewinn für die Gesellschaft. Auch wenn diese teilweise schmerzhafte Erkenntnisse mit sich bringt. Transparenz wurde bezüglich Forschung, Wissenschaft, Gesellschaft oder gegenüber dem politischen Alltag mehr gelebt und auch gefordert. Der Wissenshunger ist spürbar gestiegen. Leider aber wurde auch viel Halbwissen verbreitet und Verschwörungstheorien geschmiedet. Da wurde die gelebte Transparenz gewissermassen für eigene Zwecke pervertiert.

    JoW

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